Einführung in APS und AAPS

Was ist eine „künstliche Bauchspeicheldrüse” (artifical pancreas system)?

Eine menschliche Bauchspeicheldrüse übernimmt neben der Regulierung des Blutzuckers noch viele andere Dinge im Körper. Der Begriff “künstliche Bausspeicheldrüse” (APS) beschreibt überlicherweise ein System, dass den Blutzuckerspiegel automatisiert im gesunden Bereich hält.

Die einfachste Art dies zu tun ist, den Glukosewert zu nutzen, um damit Berechnungen vorzunehmen und dann eine vorberechnete Insulinmenge in den Körper abzugeben. Diese Berechnung wird alle paar Minuten wiederholt, Tag und Nacht (24/7). Es nutzt Alarme und Benachrichtigungen, um die Benutzenden auf notwendige Eingriffe oder Besonderheiten hinzuweisen. Dieses System besteht normalerweise aus einem Glukose-Sensor, einer Insulinpumpe und einer App auf einem Smartphone.

Dieser in 2022 veröffentlichte Artikel, gibt einen Überblick über die derzeit verfügbaren Artificial Pancreas Systeme (künstlichen Bauchspeicheldrüsen):

Frontiers Ausblick auf die Closed-Loop Technologie.

In naher Zukunft werden einige sogenannte Dual-Hormon-Systeme neben Insulin auch Glucagon zuführen können. Das Ziel dabei ist es, schwere Hypos zu verhindern und eine noch engere Blutzuckerkontrolle zu ermöglichen.

Eine künstliche Bauchspeicheldrüse kann man sich als „Autopiloten für Deinen Diabetes“ vorstellen. Was soll das heißen?

In einem Flugzeug erledigt ein Autopilot einen Teil der Arbeit des menschlichen Piloten, der Pilot kann nicht durch den gesamten Flug schlafen. Der Autopilot unterstützt die Arbeit des Piloten. Er entlastet ihn von der permanenten Überwachung des Flugzeugs, sodass sich der Pilot von Zeit zu Zeit auf eine umfassendere Überwachung konzentrieren kann. Der Autopilot bekommt Informationen von verschiedenen Sensoren, ein Computer wertet diese aus und vergleicht sie mit den vom Piloten vorgegeben Grenzen und nimmt dann die notwendigen Anpassungen vor. Der Pilot muss damit nicht ständig Entscheidungen treffen und wird auf diese Weise entlastet.

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Was bedeutet „Hybrid-Closed-Loop“?

Die beste Lösung für Typ-1-Diabetes wäre eine „funktionale Heilung“ (wahrscheinlich die Implantierung von Bauchspeicheldrüsenzellen, die vor der Immunabwehr geschützt sind). Während wir darauf warten, ist eine „full closed Loop“ künstliche Bauchspeicheldrüse wahrscheinlich das nächstbeste. Dies ist ein Technologiesystem, das keine Benutzereingabe benötigt (wie z. B. Mahlzeitenbolus abgeben oder körperliche Aktivität „ankündigen“), um eine gute Blutzucker-Kontrolle zu erreichen. Derzeit gibt es noch keine für die Allgemeinheit verfügbaren Systeme, die „full closed loop“ sind. Alle benötigen noch Benutzereingaben. Die aktuell verfügbaren Systeme werden als „hybrid closed loop“ bezeichnet, da sie eine Kombination aus automatisierter Technik und Benutzereingaben nutzen.

Wie und warum ist das Loopen begonnen worden?

Die Entwicklung kommerzieller Technologien für Menschen mit Typ-1-Diabetes (T1D) ist sehr langsam. 2013 gründete die T1D Community die #WeAreNotWaiting Bewegung. Diese Bewegung entwickelte Systeme, die bestehende und bewährte Technologie (Insulinpumpen und Sensoren) nutzt, um die Blutzucker-Kontrolle und auch die Lebensqualität zu verbessern. Da sie nicht formell von Gesundheitsbehörden (FDA, NHS usw.) zugelassen sind, werden sie auch als DIY (do-it-yourself) Systeme bezeichnet. Prinzipiell gibt es 4 Do-it-yourself-Systeme: OpenAPS, AAPS, Loop und iAPS.

Um die Grundlagen des DIY-Loopen zu verstehen, ist Dana Lewis’ Buch „Automated Insulin Delivery“ ein hervorragender Einstieg. Es ist hier frei erhältlich (oder man kauft sich ein echtes Buch davon). Wenn Du mehr über OpenAPS, aus dem sich AAPS entwickelt hat, dann ist die OpenAPS Website eine hervorragende Quelle.

Diverse kommerzielle Hybrid-Closed-Loop-Systeme wurden auf den Markt gebracht, zuletzt CamAPS FX (UK und EU) und Omnipod 5 (USA und EU). Diese unterscheiden sich von den DIY-Systemen zum Teil erheblich, da sie „lernende Algorithmen“ nutzen. Diese Algorithmen berücksichtigen auch den Insulinbedarf der vorangegangenen Tage für die Berechnung aktueller Insulingaben. Viele Menschen der DIY-Community haben Erfahrungen mit den kommerziellen Systemen gemacht, und können diese mit den DIY-Systemen vergleichen. Du kannst mehr über den Vergleich der verschiedenen Systeme erfahren, indem Du in den speziellen Facebook-Gruppen für diese Systeme nachfragst, in der AAPS Facebook Gruppe oder auf Discord.

Was ist Android APS (AAPS)?

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Abbildung 1. Grundstruktur des Android APS (Artificial Pancreas System), AAPS.

Android APS (AAPS) ist ein Hybrid-Closed-Loop-System oder eine „künstliche Bauchspeicheldrüse“ (Artificial Pancreas System = APS). Es berechnet benötigte Insulinmengen, indem es bewährte OpenAPS-Algorithmen (Berechnungsvorschriften) verwendet, die von der #WeAreNotWaiting Typ 1 Diabetes Community entwickelt wurden.

Da OpenAPS nur mit bestimmten älteren Insulinpumpen kompatibel ist, wurde AAPS (das mit einer breiteren Palette von Insulinpumpen verwendet werden kann) 2016 von Milos Kozak für ein Familienmitglied mit Typ-1-Diabetes entwickelt. Seit diesen frühen Tagen wurde AAPS durch ein Team von freiwilligen Computerentwicklern und anderen Enthusiasten, kontinuierlich weiterentwickelt und verfeinert. Viele dieser Personen haben einen Bezug zur Welt des Typ-1-Diabetes. Heute wird AAPS von rund 10.000 Personen genutzt. Das System ist sehr flexibel und anpassbar. Dadurch, dass das System Open-Source ist, ist es auch problemlos mit viel anderer Open-Source-Diabetes Software und vielen Plattformen kompatibel. Die grundlegenden Komponenten des gegenwärtigen AAPS-Systems werden oben in Bild 1 dargestellt.

Was sind die Grundbestandteile von AAPS?

Das „Gehirn“ von AAPS ist eine App, die Du selber erstellen („bauen“) musst. Es gibt für dieses Erstellen sehr detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Anschließend installierst Du die AAPS-App auf einem kompatiblen Android Smartphone (1). Eine Reihe von Nutzenden bevorzugt es, den „Loop“ auf einem separaten Smartphone zu haben und es nicht auf ihrem eigentlichen Haupttelefon. Damit ist es dann auch möglich, Dein bestehendes Systemumfeld (z.B. iOS) weiterzunutzen, und nur für AAPS ein Android-Smartphone zu nutzen.

Das Android Smartphone benötigt außer AAPS noch eine weitere App. Das ist entweder eine modifizierte Dexcom-App, genannt „build-your-own dexcom app“ BYODA oder Xdrip+. Diese zusätzliche App empfängt über Bluetooth die BZ-Werte von einem Sensor (2) und sendet sie dann im Handy an die AAPS-App.

Die AAPS App verwendet einen Entscheidungsprozess (Algorithmus) von OpenAPS. Neulinge starten mit dem Basis-Algorithmus oref0 und können mit zunehmender Erfahrung auf den neueren oref1-Algorithmus wechseln. Welcher Algorithmus (oref0 und oref1) gewählt werden sollte, hängt stark von Deiner persönlichen Situation ab. Beim Eintreffen eines neuen Sensorwerts, berücksichtigen beide Algorithmen mehrere Faktoren bei der dann ausgeführten Neuberechnung. Per Bluetooth sendet dann der Algorithmus die Befehle, wieviel Insulin benötigt wird, an die Insulinpumpe (3). Sämtliche Informationen können als mobile Daten oder per WLAN ins Internet gesendet werden (4). Diese Informationen und Daten können mit Followern (wenn nötig) geteilt werden und/oder für Datenanalysen ausgewertet werden.

Welche Vorteile hat das AAPS-System?

Der von AAPS verwendete OpenAPS-Algorithmus steuert den Blutzzuckerspiegel automatisch auf Basis der vom Nutzenden hinterlegten Parameter (u.a. Basalrate, Korrekturfaktoren, Mahlzeitenfaktoren, Insulinwirkdauer). Für einige Patienten und Betreuende liegen die Stärken von AAPS insbesondere in der möglichen Feinabstimmung, den Automatisierungen und der erhöhten Systemtransparenz (Nachvollziehbarkeit). Das kann zu einer besseren Kontrolle Deines Diabetes (oder des Deines Angehörigen), was wiederum zu einer besseren Lebensqualität und einem ruhigeren Alltag führt.

Besondere Vorteile sind:

1) Eingebaute Sicherheit

Um Dich über die Sicherheitsfunktionen der Algorithmen, bekannt als oref0 und oref1, zu informieren, klicke hier. Der Benutzer hat die Kontrolle über seine eigenen Sicherheitsanforderungen.

1) Flexibilität bei der Hardware

AAPS funktioniert mit einer Vielzahl an Insulinpumpen und Sensoren. Solltest Du z.B. eine Allergie auf ein Dexcom-Pflasterkleber entwickeln, kannst Du ohne größere Probleme auf einen Libre-Sensor umsteigen. Das System kann so Deinem Leben und geänderten Bedingungen angepasst werden. Mit anderer Hardware musst Du die AAPS-App weder neu bauen noch erneut installieren. Setze einfach ein neues Häkchen in der App. AAPS ist unabhängig von bestimmten Pumpentreibern und enthält auch eine „virtuelle Pumpe“, so dass die Benutzer gefahrlos experimentieren können, bevor sie es an sich selbst anwenden.

2) Hochgradig anpassbar, mit umfangreichen Parametern

Benutzer können einfach Module oder Funktionen hinzufügen oder entfernen und AAPS kann sowohl im Modus Open Loop, als auch im Modus Closed Loop verwendet werden. Hier einige Beispiele für die Möglichkeiten mit dem AAPS System:

a) Die Möglichkeit, vor dem Essen ein niedrigeres BZ-Ziel für 30 min zu setzen; Du kannst das Ziel auf 72 mg/dL (4,0 mmol/L) festlegen.

b) Wenn Du z.B. aufgrund von Insulinresistenz hohe Glukosewerte hast, kannst Du in AAPS eine Automatisierung erstellen und aktivieren, die bei einem Glukosewert über 144 mg/dl (8 mmol/dl) einen Profilwechsel auf 120 % vornimmt (das führt zu einer Erhöhung der Basalrate um 20 % und einer 20 prozentigen Verstärkung der der anderen Faktoren verglichen mit dem Ausgangsprofil). Die Automatisierung bleibt für den von Dir angegebenen Zeitraum aktiv. Eine solche Automatisierung kann auch nur in Abhängigkeit von bestimmten Wochentagen, Tageszeiten und sogar vom aktuellen Standort aktiviert werden.

c) Wenn Dein Kind ohne Vorankündigung beispielsweise auf’s Trampolin geht, kann in AAPS die Insulingabe (Basalrate) direkt über das Smartphone für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt werden.

d) Wurde eine Schlauch-Pumpe beispielsweise zum Schwimmen abgekoppelt und wird nun wieder verbunden, berechnet AAPS das fehlende Basalinsulin und holt die Basalgabe je nach BZ-Wert vorsichtig nach. Jedes nicht benötigte Insulin kann manuell überschrieben werden, indem man das verpasste Basal einfach „annulliert“.

e) AAPS kann mit mehreren Profilen für unterschiedliche Situationen umgehen und zwischen diesen einfach wechseln. Zum Beispiel kann man Funktionen, die den Algorithmus beschleunigen, um erhöhte BZ-Werte zu senken (wie Supermikro-Bolus „(SMB”), unangekündigte Mahlzeiten (“UAM“)), nur tagsüber funktionieren lassen, wenn man sich Sorgen um Nachthypos macht.

Dies alles sind Beispiele, das volle Leistungsspektrum bietet große Flexibilität für den Alltag einschließlich Sport, Krankheit, Hormonzyklen etc. Es gibt keine Standardlösung für eine solche Automation, sodass es am Ende immer eine individuelle Nutzer*innen-Entscheidung bleibt, wie diese Flexibilität genutzt wird.

3) Fernüberwachung

Es gibt mehrere mögliche Überwachungskanäle (Sugarmate, Dexcom Follow, Xdrip+, Android Auto etc.), die in bestimmten Szenarien (Schlafen/Fahren) für Eltern und Erwachsene nützlich sind, die individuell einstellbare Warnungen benötigen. In einigen Apps (xDrip+) können Alarme auch vollständig ausschaltet werden. Das ist besonders dann nützlich, wenn ein Sensor frisch gesetzt wurde („soacking“) und/oder die Sensorwerte noch nicht vollständig stabil sind und Du mit diesem Sensor erst später loopen möchtest.

4) Fernbedienung

Ein bedeutender Vorteil von AAPS gegenüber kommerziellen Systemen ist, dass es für Follower möglich ist, über authentifizierte Texte (SMS) Befehle oder über eine App (Nachtscout oder AAPSClient), um eine große Anzahl von Befehlen an das AAPS System zurückzuschicken. Das ist eine der durch Eltern von Typ-1 Kindern am häufigsten genutzten Funktionalität in AAPS. Es ist sehr nützlich: zum Beispiel auf dem Spielplatz. Wenn Du einen Snack von Deinem eigenen Telefon aus für einen Vorab-Bolus machen willst, und Dein Kind ins Spielen vertieft ist. Es ist möglich das System zu überwachen (z.B. Fitbit), grundlegende Befehle zu senden (z. Samsung Galaxy Watch 4), oder steuere das gesamte AAPS System von einer hochspezialisierten Smartwatch (5) (z.B. LEMFO LEM14) aus. In diesem letzten Szenario ersetzt die Full-Android-Smartwatch das Smartphone. Mit zunehmender Batteriekapazität und zuverlässigerer Technik der Smartwatches wird diese Option auch immer attraktiver.

5) Keine kommerziellen Einschränkungen aufgrund der offenen Anwendungsschnittstellen

Über die Verwendung eines Open-Source-Ansatzes hinaus kann der Quellcode von AAPS jederzeit eingesehen werden, was das allgemeine Prinzip der Bereitstellung offener Programmierschnittstellen ist. Dies gibt anderen Entwicklern die Möglichkeit, ebenfalls neue Ideen einzubringen. AAPS ist eng in Nightscout integriert. Dies beschleunigt die Entwicklung und ermöglicht es den Anwendern, Funktionen hinzuzufügen, um das Leben mit Diabetes noch einfacher zu machen. Gute Beispiele für solche Integrationen sind NightScout, Nightscout Reporter, Xdrip+, M5 Stack usw. Es besteht ein ständiger Dialog zwischen Open-Source-Entwicklern und den Entwicklern kommerzieller Systeme. Viele der DIY-Innovationen werden schrittweise von kommerziellen Systemen übernommen, wo die Entwicklungen verständlicherweise langsamer sind. Auch weil Schnittstellen zwischen Systemen verschiedener Unternehmen (Pumpen, Apps, Sensoren usw.) sorgfältig ausgehandelt und lizenziert werden müssen. Dies kann auch Innovationen verlangsamen die für den einzelnen Patienten bequem sind (oder für eine kleine Untergruppe von Patienten mit sehr spezifischen Anforderungen), die aber keinen großen finanziellen Gewinn bringen.

6) Detaillierte App-Oberfläche

Mit AAPS ist es einfach Dinge wie Insulinstände in der Pumpe, Alter des Katheters, Sensoralter, Pumpenbatterie, Insulin-On-Bord usw.. Viele Aktionen können durch die AAPS App durchgeführt werden (Füllen der Pumpe, Abschalten der Pumpe etc.), anstatt an der Pumpe selbst, was bedeutet, dass die Pumpe in der Tasche oder am Gürtel bleiben kann.

7) Zugänglichkeit und Bezahlbarkeit

AAPS bietet Menschen, die es sich derzeit nicht leisten können, sich selbst zu finanzieren, oder die keine Finanzierung/Versicherung haben, Zugang zu einem Hybrid-Closed-Loop-System von Weltklasse, das den kommerziellen Systemen konzeptionell um Jahre voraus ist, was die Entwicklung angeht. Sie benötigen derzeit ein Nightscout-Konto, um AAPS einzurichten, obwohl das Nightscout-Konto für den täglichen Betrieb des AAPS-Ablaufs nicht erforderlich ist. Viele Menschen verwenden weiterhin Nightscout zur Erfassung ihrer Daten und zur Fernbedienung. Obwohl AAPS selbst kostenlos ist, kann das Einrichten von Nightscout über eine der verschiedenen Plattformen eine Gebühr (€ 0 - €12) nach sich ziehen, je nachdem, welche Unterstützung Sie benötigen (siehe Vergleichstabelle) und ob Sie Nightscout nach dem Setup weiter verwenden wollen oder nicht. AAPS arbeitet mit einer großen Auswahl an erschwinglichen Android-Telefonen (ab ca. €150) zusammen. Verschiedene Versionen sind für bestimmte Standorte und Sprachen verfügbar und AAPS kann auch von Personen verwendet werden, die blind sind.

8) Support

Kein automatisiertes Insulinsystem ist perfekt. Kommerzielle und Open-Source-Systeme sind sich in möglichen Fehler (Übertragungsprobleme und temporäre Hardware-Fehler) ähnlich. Es gibt Unterstützung seitens der Community der AAPS-Nutzer auf Facebook, Discord und Github. Hier sind Leute von überall auf der Welt, die an Design und Entwicklung beteiligt waren und solche, die AAPS derzeit verwenden. Es gibt auch Facebook-Supportgruppen und Hilfe von Kliniken/Handelsunternehmen für die kommerziellen APS-Systeme - es lohnt sich, mit den Anendern zu sprechen. oder frühere Anwender dieser Systeme, um Feedback zu häufigen Fehlern, zur Qualität des Schulungsangebots und zum Niveau der kontinuierlichen Unterstützung zu erhalten.

9) Vorhersehbarkeit, Transparenz und Sicherheit

AAPS ist völlig transparent, logisch und berechenbar was es einfacher machen kann zu wissen, wann eine Einstellung falsch ist, und sie entsprechend anzupassen. Du kannst zu jeder Zeit genau sehen, was das System tut, warum es das tut und die Kontrolle wieder in Deine Hand nehmen, indem Du entsprechende Grenzen setzt. Dies schafft Vertrauen und Dir einen erholsameren Schlaf.

10) Zugriff auf erweiterte Funktionen durch Entwicklungsmodi (dev) einschließlich vollständigem Closed Loop

Diese AAPS Dokumentation konzentriert sich auf die Hauptentwicklung im “master”-Branch [in Git] von AAPS. Forschung und Entwicklung laufen jedoch ständig. Erfahrene Benutzer können die experimentellen Funktionen im „development“-Branch erkunden. Dazu gehört die Integration von Dexcom G7 und die automatische Anpassung der Insulinlieferung an kurzfristige Sensibilitätsänderungen (DYNISF). Die Neuentwicklungen konzentrieren sich auf Strategien zum vollständigen Closed Loop (ohne Bolus für Mahlzeiten usw.) und versuchen ganz allgemein, das Leben mit Typ-1-Diabetes so angenehm wie möglich zu machen.

11) Möglichkeit, sich an weiteren Verbesserungen zu beteiligen

Diabetes Typ 1 kann sehr frustrierend sein und dazu führen, dass Du Dich alleingelassen fühlst. Seine Diabetes-Technolgie selber unter Kontrolle zu haben und etwas an die Community zurückzugeben („pay it forward“) indem Du andere bei deren Reise unterstützst, kann ein gutes und befriedigendes Gefühl geben. Du kannst Dich selbst weiterbilden, Hindernisse erkennen und auch Deine Beiträge zur Weiterentwicklung und/oder zur Dokumentation leisten. In der Community gibt es andere, die das gleiche Ziel haben und mit denen Du Ideen austauschen und zusammenarbeiten kannst. Dies ist die Grundidee und der Geist von #WeAreNotWaiting.

Wie unterscheidet sich AAPS von ICT (MDI) und Open Loop?

Die intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT, (a) in Bild 2 unten - engl. MDI (Multiple Daily Injections)) erfordert die Injektion von Basalinsulin (z.B. Tresiba) 1-2 mal am Tag und ein kurz wirksames Insulin (z.B. Novorapid, Fiasp) vor den Mahlzeiten bzw. als Korrektur. Open Pumping (b) nutzt eine Pumpe zur Abgabe des schnell wirkenden Insulins in der einprogrammierten Menge als Basalrate, sowie die Abgabe eines Mahlzeiten- und/oder Korrekturbolus. Die Grundlagen eines Looping-Systems sind, dass die Looping-App die BZ-Werte des Sensors verwendet, um die Pumpe anzuweisen, die Insulinlieferung zu stoppen, wenn sie voraussagt, dass Du auf niedrige Werte geraten wirst und Dir zusätzliches Insulin zu geben, wenn die BZ-Werte sich der Voraussage nach einem zu hohen Niveau nähern (c). Obwohl diese Abbildung, im Vergleich zum realen Leben, übermäßig vereinfacht ist, soll sie die wichtigsten Unterschiede der Ansätze zeigen. Mit jedem dieser drei Ansätze ist eine außergewöhnlich gute BZ-Kontrolle möglich.

21-06-23 AAPS Glukose MDI etc

Abbildung 2. Prinzipielle Übersicht: (a) ICT (engl. MDI), (b) Open-Loop-Pumping und (c) Hybrid-Closed-Loop-Pumping.

Wie unterscheidet sich AAPS von anderen Loop-Systemen?

Seit dem 25. Juni 2023 sind vier große Open Source Closed Loop-Systeme verfügbar: OpenAPS, AAPS, Loop und iAPS, (ehemals FreeAPS X). Die Funktionen der verschiedenen Systeme werden in der folgenden Tabelle angezeigt:

Die Funktionen der verschiedenen Systeme werden in der folgenden Tabelle angezeigt:

Gerätetyp

Name

AAPS

Loop

OpenAPS

iAPS

Smartphone

Android

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

Smartphone

iPhone

nicht verfügbar

available

nicht verfügbar

available

Rig

Einplatinencomp. (1)

nicht verfügbar

nicht verfügbar

available

nicht verfügbar

PUMPE

Dana I

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

Dana RS

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

Dana R

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

Omnipod (Dash) (2)

available

available

nicht verfügbar

available

PUMPE

Omnipod (Eros)

available

available

nicht verfügbar

available

PUMPE

Diaconn G8

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

EOPatch 2

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

Medtrum Nano / 300U

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

Medtrum TouchCare 300U

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

Roche Combo

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

Roche Insight

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

PUMPE

Ältere Medtronik

available

available

available

available

CGM

Dexcom G7

available

available

nicht verfügbar

available

CGM

Dexcom One

available

available

nicht verfügbar

available

CGM

Dexcom G6

available

available

available

available

CGM

Dexcom G5

available

available

available

available

CGM

Dexcom G4 - dies ist der MD file

available

available

available

available

CGM

Libre 3

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

nicht verfügbar

CGM

Libre 2

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

available

CGM

Libre 1

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

available

CGM

Eversense

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

available

CGM

MM640g/MM630g

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

available

CGM

PocTech

available

nicht verfügbar

nicht verfügbar

available

CGM

Nightscout als BZ-Quelle

available

available

available

available

Hinweise zur Tabelle:

  1. Ein Rig ist ein kleiner Computer, den man mit sich herumtragen kann, ohne einen Monitor. Unterstützte Gerätetypen: Intel Edison + Explorer Board; Raspberry Pi + Explorer HAT; Adafruit RFM69HCW Bonnet. Die ersten APS basieren auf diesem Setup, da Mobiltelefone nicht in der Lage waren, die benötigten Algorithmen auszuführen. Die Nutzung dieser Systeme ist rückläufig, da die Einrichtung auf Mobiltelefonen einfacher geworden ist und Telefone ein Display enthalten. Auch hat Intel den Verkauf von Intel Edison eingestellt. Die hervorragenden OpenAPS-Algorithmen oref0 und oref1 sind nun in AAPS und iAPS integriert.

  2. Omnipod Dash ist das Nachfolgemodell von Omnipod Eros. Es unterstützt Bluetooth-Kommunikation und benötigt kein Rig Gateway, um zwischen Omnipod und Mobiltelefon zu kommunizieren. Wenn Sie die Wahl haben, empfehlen wir Ihnen, den Dash anstelle von Eros zu verwenden.

Eine internationale, von Fachleuten überprüfte Konsenserklärung mit praktischen Anleitungen zum Open-Source-Looping wurde von und für Angehörige der Gesundheitsberufe verfasst und 2022 in einer führenden medizinischen Zeitschrift veröffentlicht: Lancet Diabetes Endocrinol, 2022; 10: 58-74(1). Sie fasst die wesentlichen technischen Unterschiede der einzelnen Open-Source-Hybrid-Loop-Systeme zusammen und ist auch für Deine Diabetes-Klinik eine Lektüre wert.

Es ist schwierig, ein „Gefühl“ für ein System zu bekommen, wenn man es nicht benutzt oder sich nicht mit Personen austauscht, die es aktiv nutzen. Stelle Deine Fragen daher auf Facebook/Discord, wo sich viele aktive Nutzende finden. Die meisten Leute finden, dass AAPS im Vergleich zu anderen hybriden Systemen mit geschlossenem Regelkreis (insbesondere den kommerziellen Systemen) unglaublich ausgeklügelt ist, mit, wie oben beschrieben, einer riesigen Anzahl von potenziell anpassbaren Einstellungen und Funktionen. Einige Leute finden es am Anfang ein wenig erschlagend, doch Du kannst das Tempo selbst bestimmen und Dich mit den einzelnen Möglichkeiten langsam vertraut machen. Es gibt dabei keinen Grund zur Eile und es gibt Hilfe auf jedem Schritt des Weges.

Verwendet AAPS künstliche Intelligenz oder einen Lernalgorithmus?

Die aktuelle Master-Version von AAPS (3.1.0.3) enthält keine Maschinenlernalgorithmen, Multiparameter-Insulinreaktionsmodelle oder künstliche Intelligenz. Das System an sich ist, im Hinblick darauf wie es funktioniert, offen und transparent. Es kann sowohl von Patienten und Klinikpersonal verstanden werden und es wird dazu kein Expertenwissen benötigt. Das bedeutet auch, dass Du, wenn Du einen stark schwankenden Tagesablauf hast (z. B. von einer stressigen Arbeitswoche zu einem erholsamen Urlaub) und wahrscheinlich eine deutlich andere Insulinmenge benötigst, sofort in AAPS auf ein schwächeres/stärkeres, maßgeschneidertes Profil umschalten kannst. Ein „lernendes System“ wird dies für Dich zwar automatisch anpassen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Insulinanpassungen länger brauchen wird.

Welches System ist für mich oder meinen Angehörigen das Richtige?

Üblicherweise ist Deine Systemwahl davon abhängig, welche Insulinpumpe Du bereits nutzt oder von Deinem medizinischen Versorger bekommen kannst, und Deinem genutzten Smartphone (Apple oder Android). Die größte Systemauswahl hast Du, wenn Du noch gar keine Insulinpumpe hast. Die Technologie entwickelt sich ständig weiter, Insulinpumpen werden vom Markt genommen und neue Pumpen und Sensoren werden verfügbar. Die meisten Open-Source-Systeme arbeiten mit den Hauptsensoren (Libre und Dexcom) oder integrieren neue Sensoren sehr schnell nach deren Verfügbarkeit. Die Erfahrung zeigt, dass neue Sensoren (auch wegen Sicherheits- und Stabilitätstests) innerhalb eines Jahres integriert werden.

Die meisten AAPS Anwender berichten von mehr Zeit im Zielbereich (TiR), von einem niedrigeren HbA1c und von einer verbesserten Lebensqualität, weil sie ein System verwenden, das automatisch Basalraten in der Nacht, während sie schlafen, anpassen kann. Dies gilt für die meisten Hybrid-Closed-Loop Systeme. Einige Menschen bevorzugen einfache, wenig anpassbare Systeme (d.h. Du bevorzugst kommerzielle Systeme) und andere wiederum empfinden die mangelnde Kontroll- bzw. Anpassbarkeit als sehr frustrierend (d.h. Du wirst vermutlich ein Open-Source-System bevorzugen). Wenn Du (oder Dein Angehöriger) eine neue Diagnose erhalten haben, ist es üblich, sich zunächst an die Anwendung von ICT (intensivierte kontinierliche Inslintherapie, engl. MDI = multiple dayly injections) und eines Glukosesensors zu gewöhnen und dann auf eine Pumpe umzusteigen, die die Möglichkeit eines Loopings bietet, um damit schließlich auf AAPS umzusteigen. Möglicherweise wird bei manchen (insbesondere bei kleinen Kindern) auch gleich eine Pumpe angwendet.

Es ist wichtig zu wissen, dass AAPS-Nutzende selbständig und proaktiv Probleme mit der Hilfe der Community lösen müssen. Das erfordert eine andere persönliche Haltung als es bei kommerziellen Systemen notwendig ist. AAPS gibt Dir mehr Kontrolle und Flexibilität, aber auch Verantwortung, zu der Du bereit sein musst.

Ist der Einsatz von Open-Source-Systemen wie AAPS sicher?

Sicherheit des AAPS-Systems

Da kein System ohne Risiko ist, ist die wahrscheinlich bessere Frage: „Ist AAPS, im Vergleich zu meinem aktuell genutzten System zur Behandlung von Diabetes Typ-1, sicher?“. AAPS hat viele Prüfungen und Abgleiche. In einem kürzlich erschienenen Artikel wird die Verwendung von AAPS in einer Computersimulation beschrieben, die als effektives Mittel prüfte, wie sicher und wirksam das System ist. Generell wird angenommen, dass weltweit mehr als 10.000 Menschen mit Open-Source automatisierten Insulinlieferungs-Systemen (Insulinpumpen) arbeiten und dass dies weltweit weiter zunimmt.

Jedes Gerät, das Funk-Kommunikation nutzt, kann gehackt werden, und das gilt auch für eine nicht loopende Insulinpumpe. Aktuell ist uns kein Fall bekannt, in dem versucht worden ist, das Diabetes-Equipment einer Einzelperson durch einen Hack zu schädigen. Es gibt jedoch mehrere Wege, sich gegen derartige Risiken zu schützen:

  1. Begrenze den maximal abgebaren Bolus und das maximal mögliche Basal in den Pumpeneinstellungen auf Mengen, die Du für die sichersten hälst. Das sind feste Grenzen, von den wir glauben, dass sie durch böswillige Hacker nicht umgangen werden können.

  2. Aktiviere die Alarme Deines CGMs, sowohl für „niedrig“ als auch für „hoch“.

  3. Halte Deine Insulinabgaben online im Auge. Nightscout-Nutzende können zusätzliche Alarme mit einer großen Vielzahl an Bedingungen (auch für viel wahrscheinlichere Bedingungen als eine böswillige Attacke) einstellen. Zusätzlich zu Alarmen (hoch bzw. niedrig) kann Nightscout auch Diagnosedaten anzeigen, die zeigen, ob die Insulinpumpe wie gewünscht funktioniert, einschließlich des aktuell aktiven Insulins (IOB), die Basalraten-Historie und die Bolus-Historie der Pumpe. Es kann auch so eingestellt werden, dass es frühzeitig auf unerwünschte Zustände wie z.B. vorhergesagte hohe oder niedrige Werte, niedriger Reservoirstand und schwache Pumpenbatterie, hinweist.

Diese Strategie reduziert das Risiko erheblich, wenn ein bösartiger Angriff auf Deine Insulinpumpe erfolgen sollte. Jeder potentielle AAPS Nutzende muss die mit AAPS verbundenen Risiken gegen das Risiko anderer Systeme abwägen.

Sicherheitsaspekte bezüglich einer allzu schnellen Absenkung der Blutzuckerwerte

Eine schnelle Reduktion des HbA1c und eine verbesserte Blutzuckerkontrolle klingt verlockend. Allerdings kann das _zu schnelle_Senken des durchschnittlichen Blutzuckerspiegels, durch Start eines Closed-Loop-Systems zu permanenten Schäden führen, auch an den Augen, und schmerzhafter Neuropathie, die nie mehr verschwindet. Solche Schäden lassen sich einfach vermeiden, indem man die Werte langsamer reduziert. Wenn Du derzeit einen erhöhten HbA1c hast und zu AAPS (oder einem anderen Closed-Loop-System) wechselst, besprich dieses potentielle Risiko bitte mit Deinem Klinik-Team, bevor Du startest, und lege gemeinsam einen Zeitraum fest, in dem Du den Glukosespiegel sicher schrittweise senkst. Allgemeine Informationen darüber, wie Du Deine BZ-Werte sicher reduzieren kannst, mit Links zur medizinischen Literatur, findest Du im Abschnitt über Sicherheit hier.

Medizinische Sicherheit bezüglich Geräte, Verbrauchsmaterialien und anderer Medikamente

Verwende eine getestete, voll funktionierende, FDA oder CE zugelassene Insulinpumpe für Deine künstliche Bauchspeicheldrüse. Gleiches gilt für das CGM-System. Veränderungen an Hard- oder Software dieser Komponenten können zu unerwarteter Insulinabgabe und damit zu erheblichen Risiken für den Anwender führen. Verwende keine defekten, modifizierten oder selbstgebastelten Insulinpumpen oder CGM-Empfänger, um ein AAPS-System zu erstellen oder zu betreiben.

Verwende Originalzubehör wie Inserter, Katheter und Insulinbehälter, die vom Hersteller für Deine Pumpe und Dein CGM zugelassen sind. Die Verwendung von nicht geprüftem oder modifiziertem Zubehör kann zu Ungenauigkeiten des CGM-Systems und Insulinabgabefehlern führen. Insulin ist höchst gefährlich, wenn es falsch dosiert wird. Spiele nicht mit Deinem Leben, indem Du Deine Diabetesausrüstung hackst.

SGLT-2 Inhibitoren (Gliflozine) sollten bei der Verwendung von AAPS nicht eingenommen werden, da sie den Blutzuckerspiegel unberechenbar senken. Es ist gefährlich, diesen Effekt mit einem System zu kombinieren, das die Basalsätze senkt, um die BZ-Werte zu erhöhen. Mehr Details dazu findest Du im Hauptabschnitt Sicherheit.

Wie kann ich mit meinem Klinikteam über AAPS ins Gespräch kommen?

Die Benutzer sind aufgefordert, mit ihren Ärzten über ihre Absicht zu sprechen, AAPS zu verwenden. Bitte scheuen Sie sich nicht, ein ehrliches Gespräch mit Ihrem Diabetesteam zu führen, wenn Sie AAPS (oder irgendeinen anderen DIY-Loop) verwenden wollen. Transparenz und Vertrauen zwischen Patient und Arzt sind von größter Bedeutung.

Vorgeschlagene Vorgehensweise:

Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, um herauszufinden, wie vertraut er mit Diabetestechnologie wie CGMs, Pumpen, Hybrid-Loops und kommerziellen Loops ist und welche Einstellung er dazu hat. Dein Arzt/Endokrinologe sollte mit der grundlegenden Technologie vertraut sein und bereit sein, mit Dir die letzten Fortschritte bei kommerziellen Loop-Produkten zu besprechen, die in Eurem Gebiet erhältlich sind.

Beispielfälle vor Ort

Erkundigen Sie sich bei Ihren Ärzten und Endokrinologen nach deren Meinung zu DIY-Loops gegenüber kommerziellen Loops und schätzen Sie deren Wissen in diesem Bereich ein. Sind sie mit AAPS vertraut und können sie Dir mit Erfahrungen helfen, die auf ihrer Arbeit mit Patienten mit DIY-Looping beruhen?

Frage Dein Team, ob es bereits Patienten in Behandlung hat, die DIY-Looping verwenden. Aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht können die Ärzte die Daten anderer Patienten nicht an Dich weitergeben, ohne die Zustimmung der Betroffenen einzuholen. Wenn Du möchtest, kannst Du sie jedoch bitten, Deine Kontaktdaten an einen bestehenden DIY-Looping-Patienten weiterzugeben, wenn der Arzt das Gefühl hat, dass es bei Euch „klick“ machen könnte, und mitteilen, dass Du Dich freuen würdest, wenn der Patient Dich kontaktieren würde, um DIY-Looping zu besprechen. Ärzte sind dazu nicht verpflichtet, aber einige sind froh darüber, da sie die Bedeutung der Peer-to-Peer-Unterstützung im Diabetes Management von Typ 1 erkennen. Es kann auch nützlich sein, Dich mit in Deiner Gegend lebenden DIY-Loopern zu treffen. Dies ist natürlich Dir selbst überlassen und ist nicht unbedingt notwendig.

Beispielfälle auf nationaler und internationaler Ebene

Wenn Du das Gefühl hast, dass Du von Deinem Team beim Loopen mit AAPS nicht genügend unterstützt wirst, können folgende Diskussionspunkte hilfreich sein:

a) Das AAPS System wurde von Patienten und deren Betreuern entworfen. Es wurde letztendlich für die Sicherheit konzipiert, aber auch auf Grundlage einer fundierten Patientenerfahrung. Derzeit gibt es weltweit rund 10.000 AAPS-Nutzer. Es ist daher wahrscheinlich, dass es in Deiner Klinik weitere Patienten gibt, die DIY-Looping verwenden (ob sie gegenseitig davon wissen oder nicht).

b) Eine kürzlich in der international führenden medizinischen Fachzeitschrift The Lancet(1) veröffentlichte und von Experten begutachtete Anleitung hat bestätigt, dass DIY-Loops sicher und wirksam bei der Verbesserung der Diabeteskontrolle sind, einschließlich der Zeit im Zielbereich (engl. time in range = TIR). Es gibt regelmäßige Artikel in führenden Zeitschriften wie Nature(3) die den Fortschritt in der DIY-Looping-Commmunity hervorheben.

Durch den Einstieg mit AAPS erreicht man eine schrittweise Umstellung von der „Open“-Loop-Pumpenbehandlung, über die Einstellung niedriger BZ-Werte, bis hin zum hybriden „Closed“ Loop, wodurch eine Reihe von Zielen erreicht werden. Daher gibt es ein strukturiertes Programm, bei dem der Benutzer in jeder Phase ein gewisses Maß an Kompetenz nachweisen und seine Grundeinstellungen (Basalrate, Insulinempfindlichkeit (ISF) und Kohlehydratfaktor (ICR, I:C, IC)) feinabstimmen muss, bevor er in den Closed Loop kann.

Technische Unterstützung erhältst Du von der DIY-Community über Github, Discord und geschlossene Facebook-Gruppen.

e) Du kannst sowohl CGM-Berichte als auch Insulin-Looping/Pumpen-Protokolle als kombinierte Berichte bei Kliniksitzungen mitbringen (über Nightscout oder Tidepool), entweder ausgedruckt oder auf dem Bildschirm (wenn Du Laptop/Tablet dabeihast). Die Straffung sowohl der CGM- als auch der Insulindaten, erlaubt es Deinem Diabetes-Team, die Zeit für die Analyse Deiner Berichte effektiver zu nutzen und die Diskusion Deiner Fortschritte zu unterstützen.

f) Wenn es immer noch starke Einwände aus Deinem Team gibt, gib Deinem Behandler die Ausdrucke der Referenzartikel, die hier im Text verlinkt sind. Gib ihm auch den Link zum AAPS-Abschnitt für Behandler: Für Behandler- eine allgemeine Einführung und Anleitung zu AAPS

Unterstützung für DIY Looping durch andere Diabetes-Therapeuten

Die in der Fachzeitschrift Lancet Diabetes Endocrinology(1)[ veröffentlichte Arbeit (unter Mitwirkung von Kings‘ und Guy’s and St Thomas‘ NHS Foundation Trust und unter Mitwirkung von Dr. Sufyan Hussain, einem beratenden Diabetologen und ehrenamtlichen Dozenten von King’s in London) bietet:

a) Gewissheit für Fachleute, dass DIY-Systeme für künstliche Bauchspeicheldrüsen/ Open Source eine „sichere und wirksame Behandlungsoption“ für Typ-1-Diabetes darstellen, und bietet Leitlinien für Empfehlungen, Diskussionen, Unterstützung und Dokumentation;

b) Erkenntnis, dass Open-Source-Systeme zur automatischen Insulinverabreichung („AID“ = Automated Insulin Delivery) die „Time in Range“ (TIR) erhöhen und gleichzeitig die Variabilität der Blutzuckerkonzentration sowie die Anzahl der Hypo- und Hyperglykämie-Episoden in verschiedenen Altersgruppen, Geschlechtern und Gemeinschaften verringern können;

c) Empfehlung, dass Mitarbeiter des Gesundheitswesens Typ-1-Patienten oder ihre Betreuer unterstützen sollten, die sich dafür entscheiden, ihren Diabetes mit einem Open-Source-AID-System zu verwalten;

d) Empfehlung, dass die Mitarbeiter des Gesundheitswesens versuchen sollten, sich über alle Behandlungsmöglichkeiten zu informieren, die den Patienten zugutekommen könnten, einschließlich verfügbarer Open-Source-AID-Systeme. Wenn Angehörige der Gesundheitsberufe nicht über die Mittel verfügen, sich selbst weiterzubilden, oder wenn sie rechtliche oder behördliche Bedenken haben, sollten sie eine Kooperation oder eine Zusammenarbeit mit anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe in Erwägung ziehen, die dies tun;

e) Betonung, dass alle Nutzer von CGMs jederzeit in Echtzeit und offen Zugang zu ihren eigenen Gesundheitsdaten haben sollten

f) Betonung, dass diese quelloffenen Systeme nicht denselben regulatorischen Bewertungen unterzogen wurden wie kommerziell verfügbare medizinische Technologien und dass es keine kommerzielle technische Unterstützung gibt. Allerdings ist eine umfangreiche Unterstützung durch die Gemeinschaft verfügbar; und

g) Eine Empfehlung, dass Regulierung und Rechtsrahmen aktualisiert werden sollten, um Klarheit über die ethische und effektive Behandlung solcher Open-Source-Systeme zu schaffen.

In einem anderen Artikel in Medical Law International, 2021(4) wird auch darauf hingewiesen, dass das UK General Medical Council in seinen „Einwilligungsrichtlinien“ großen Wert darauf legt, dass Arzt und Patient gemeinsam Entscheidungen treffen. Der Arzt sollte die potenziellen Vorteile, Risiken, Belastungen und Nebenwirkungen der DIY-APS erklären und kann eine bestimmte Option empfehlen, ohne den Patienten unter Druck zu setzen.

Letztlich muss der Patient diese Faktoren sowie alle für ihn relevanten nicht-klinischen Aspekte abwägen und entscheiden, welche Behandlungsoption er gegebenenfalls akzeptiert.

Wenn ein Arzt in einer Klinik feststellt, dass sein Patient mit einem DIY-System loopt, ist er nicht von seiner Überwachungspflicht entbunden, nur weil er das betreffende Gerät nicht verschrieben hat; die Ärzte müssen ihre Patienten weiterhin überwachen.

Ärzten ist es (zumindest im Vereinigten Königreich) nicht verboten, nicht zugelassene Arzneimittel zu verschreiben, und sie können nach ihrem klinischen Ermessen handeln. Sie sollten daher nach ihrem klinischen Urteilsvermögen entscheiden, ob ein DIY-APS für einen bestimmten Patienten geeignet ist, und die Vor- und Nachteile mit dem Patienten besprechen, die sie für möglich erachten.

F: Warum kann ich AAPS nicht einfach herunterladen und sofort nutzen?

Die AAPS-App ist nicht in Google Play herunterladbar - Du musst die App aus rechtlichen Gründen selbst aus dem verfügbaren Quellcode erstellen. AAPS ist in keinem Land lizenziert, d.h. es gibt keine Genehmigung einer Aufsichtsbehörde. AAPS gilt als persönliches, medizinisches Experiment und wird auf eigenes Risiko durchgeführt.

Die Einrichtung des Systems muss mit Ruhe, Entschlossenheit und schrittweiser Erweiterung des eigenen technischen Wissens erfolgen. Alle Informationen und Unterstützung findest Du in diesem Dokument, online oder bekommst sie von anderen, die durch diesen Prozess bereits durchgegangen sind. Mehr als 10.000 Menschen weltweit haben AAPS erfolgreich gebaut und nutzen es aktuell.

Für die AAPS-Entwickler ist Sicherheit und eine gute AAPS-Benutzererfahrung von vorrangiger Bedeutung. Das ist auch der Grund warum es unerlässlich für jeden Nutzenden (oder Betreuenden, wenn das System für ein Kind genutzt wird) ist, dass der Nutzende:

  • das AAPS-System selbst aufbaut und die Ziele durcharbeitet, so dass er zu dem Zeitpunkt, an dem er den „Closed Loop“ macht, einigermaßen gute personalisierte Einstellungen hat und die Grundlagen der Funktionsweise von AAPS versteht;

  • sein System sichert, indem er wichtige Dateien (wie zum Beispiel den Keystore und die Einstellungsdatei (.json)) exportiert und an einem sicheren Ort speichert, so dass diese bei Bedarf wieder schnell eingespielt werden kann.

  • auf eine neue Master-Version aktualisiert, sobald diese verfügbar wird, und

  • das System aktuell und im Auge behält, um sicher zu sein, dass es richtig funktioniert.

Was macht die Connectivity des AAPS-Systems aus?

Abbildung 3 (unten) zeigt ein Beispiel des AAPS Systems für einen Benutzer ohne Follower. Zusätzliche, nicht gezeigte Open-Source-Software und Plattformen können ebenfalls integriert werden.

21-06-23 AAPS connectivity no followers

Abbildung 4 (unten) zeigt das volle Potenzial des AAPS-Systems für einen Benutzer, der Follower hat und Überwachung und Fernzugriffe auf das System benötigt (wie z.B. ein Kind mit Diabetes Typ 1): Zusätzliche, nicht gezeigte Open-Source-Software und Plattformen können ebenfalls integriert werden.

21-06-23 AAPS overview with followers

Wie läuft die stetige Weiterentwicklung und Verbesserung von AAPS?

Die meisten AAPS-Benutzer verwenden die vollständig getestete Master-Version von AAPS, die - bevor sie für die Community freigeben wurde - auf Fehler und Probleme ausgiebig getestet wurde. Neuerungen und Verbesserungen werden hinter den Kulissen durch die Entwickler ausprobiert und in „Entwickler“ (dev)-Versionen von AAPS mit einer kleineren Nutzergruppe, die gerne hilft Fehler zu finden, zu reporten und daraus neue Entwickler-Versionen zu generieren. Gut funktionierende Neuerungen und Verbesserungen werden dann in einer neuen AAPS -„Master“-Version überführt und für die Allgemeinheit freigegeben. Jede neue Master-Version wird in der Facebook-Gruppe bekannt gegeben, so dass die regulären AAPS-Benutzer über die neue Version informiert sind und auf diese Master-Version aktualisieren können.

Einige erfahrene und mit dem System vertraute AAPS-Benutzer verwenden Entwicklerversionen der AAPS-App und experimentieren mit neuen Technologien. Es kann für weniger abenteuerlustigen Nutzer interessant sein von diesen Experimenten zu erfahren, ohne es selbst machen zu müssen! Im Allgemeinen wird auch in der Facebook-Gruppe von diesen Experimenten berichtet.

Eine gute Lektüre rund um die Details zu diesen Experimenten und Diskussionen über neueste Technologieentwicklungen ist:

Tim Street https://www.diabettech.com/

David Burren https://bionicwookie.com/

Wer kann von AAPS profitieren?

Nutzergruppe

✔️ Typ 1 Diabetiker

✔️ Betreuer oder Elternteil eines Typ 1 Diabetikers

✔️ Blinde Typ 1 Diabetiker

✔️ *Kliniken und Fachleute im Gesundheitswesen

Die obige Tabelle setzt voraus, dass die Nutzenden sowohl Zugang zu einem CGM-System und auch zu einer Insulinpumpe haben.

*Alle Daten von AAPS können medizinischen Fachkräften über Datenaustauschplattformen zur Verfügung gestellt werden, einschließlich Nightscout, das die Aufzeichnung und Echtzeitüberwachung von CGM-Daten, Insulinabgabe, Kohlenhydratangaben, Prognosen und Einstellungen ermöglicht. Aus Nightscout können Tages- und Wochenberichte erzeugt werden, die in Diskussionen eines Diabetes-Teams mit einem Typ 1-Patienten hilfreich sein können, da sie genauere Daten zur glykämischen Kontrolle und Verhaltensüberlegungen beisteuern.

Zugänglichkeit für AAPS-Nutzer, die teilweise oder vollständig blind sind

Tägliche Verwendung von AAPS:

AAPS kann von Blinden verwendet werden. Auf Android-Geräten stellt das Betriebssystem ein Programm namens TalkBack zur Verfügung. Dies ermöglicht die Bildschirmorientierung über die Sprachausgabe als Teil des Betriebssystems. Mit TalkBack kannst Du sowohl Dein Smartphone als auch AAPS bedienen, ohne dass Du es sehen musst.

Das Erstellen der AAPS-App:

Als Benutzer wirst Du die AAPS-App in Android Studio erstellen. Zu diesem Zweck verwenden viele Microsoft Windows, wo es den Screenreader analog zu TalkBack gibt. Da Android Studio eine Java-Anwendung ist, muss die Komponente „Java Access Bridge“ in der Systemsteuerung aktiviert werden. Andernfalls wird der Screenreader des PCs nicht in Android Studio sprechen.

Wie Du das machst, hängt von Deinem Betriebssystem ab. Zwei Methoden sind nachfolgend aufgeführt:

  1. Gib im Windows-Start-Menü „Systemsteuerung“ im Suchfeld ein und öffne diese mit Enter. Es öffnet sich „Einstellungen des Computers anpassen“.

Öffne „Erleichterte Bedienung“, dann „Center für erleichterte Bedienung“.

Dann öffne „Computer ohne Bildschirm verwenden“ mit Enter.

Unter „Text laut vorlesen“ wähle „Sprachausgabe aktivieren“ und „Akustische Beschreibung aktivieren“. Bestätige Deine Auswahl mit „Übernehmen“.

oder:

  1. Drücke die Windowstaste und gib „Systemsteuerung“ in das Suchfeld ein. Öffne diese mit Enter. Es öffnet sich „Einstellungen des Computers anpassen“.

Drücke „C“ um zum „Center für erleichterte Bedienung“ zu gelangen. Öffne dieses mit Enter.

Dann öffne „Computer ohne Bildschirm verwenden“ mit Enter.

Dort, ziemlich am Ende der Liste, findest Du die Checkbox „Java Access Bridge aktivieren“. Wähle diese.

Fertig, einfach das Fenster schließen! Der Screenreader sollte jetzt funktionieren.

Welche Vorteile habe ich von AAPS?

Dadurch, dass Du Deine Zeit investierst, kann AAPS zu folgenden Dingen führen:

  • Linderung des Stresses und der Belastung durch das Management von Diabetes Typ 1;

  • Weniger alltägliche Entscheidungen, die Diabetes Typ 1 mit sich bringt;

  • Verringerung der Hypos und deren Behandlungen durch das Berücksichtigen der Echtzeitdaten und der daraus auf die Person abgestimmte dynamische Insulindosierung;

  • Ein besseres Verständnis des Insulinmanagements und ein größeres Vertrauen, die eigenen Einstellungen noch besser abzustimmen;

  • Die Möglichkeit automatische Anpassungen zu erstellen (Automatisierungen), die genau zu Deinem Lebensumständen passen;

  • Verbesserung der Schlafqualität und insgesamt eine Verringerung von nächtlichen Eingriffen;

  • Remote Monitoring und Steuerung der Insulinabgabe durch Betreuende von Typ 1 Diabetikern; und

  • Verringerung all Deiner tragbaren Diabetikergeräte (Empfänger für CGM und Fernsteuerung für die Pumpe) durch Verwendung eines Android-Telefons, von wo AAPS die Steuerung übernimmt.

Zu guter Letzt kann AAPS den Menschen helfen, ihren Diabetes besser in den Griff zu bekommen, was zu stabilen Blutzuckerwerten und langfristig besseren Gesundheitsergebnissen führt.

Interessiert, wie Du mit der Einrichtung von AAPS beginnst? Sieh im Abschnitt Vorbereitung nach.